Friedrich Halm                          Die lieben Gäste

1806 – 1871

Habt ihr von meinen Gästen schon vernommen,

Die zwar mich nur besuchen, wenn sie müssen,

Doch mild versöhnend immer mich begrüßen,

Die Trost mir bringen, hält mich Gram beklommen;

 

Die, jauchz ich auf in Freude wild entglommen,

Mir fromme Demut in die Seele küssen!

Kennt ihr sie nicht, die Lieb’ und Leid versüßen,

Und wären sie nicht auch zu euch gekommen? –

 

Ihr kennt sie wohl, die stumm sind und doch sprechen,

Die, mild wie Tau, doch gleichen Flammenbächen,

Die herb sind und doch Honig bittrem Sehnen;

 

Ihr kennt sie wohl, der Menschheit Kronjuwelen,

Die echten Herzensfesten niemals fehlen,

Ihr kennt sie wohl, die lieben Gäste – Tränen!

 

 

 

Friedrich Halm                          An –

1806 – 1871

Als Gott dich schuf, nahm er vom reinsten Thone

Und wog ihn ab und knetete ihn sacht’

Und nahm der Stoffe Mischung wohl in Acht,

Daß Ebenmaß in ihrer Fülle wohne.

 

Gedrückt dann in der Menschenform Schablone

Anbließ er ihn mit seines Odems Macht,

Und lächelnd sah der Herr sein Werk vollbracht

Und sprach: Geh hin und sei der Frauen Krone!

 

„Im Kleinsten groß, im Großen unerreicht,

Ueb jede Pflicht und jede sei dir leicht;

Dir selbst zum Ruhm und Tausenden zum Glücke,

 

„Die reinste Blüthe hoher Weiblichkeit,

Dien’ fromm der Kunst, zu der mein Hauch dich weiht! –

Er schuf dich, sprach’s und schlug die Form in Stücke.